Filmische Welten erschaffen seit 60 Jahren

Pressespiegel

Nachfolgender Artikel erschienen im Freien Wort, Ressort Kultur Landkreise Sonneberg und Hildburghausen, 20.10.2020.

Autor: Moritz Bauer

 

Judenbach/München - Eigene Welten für Filmproduktionen erschaffen. Das ist seit über 60 Jahren das Tagesgeschäft des Münchner Filmarchitekten Götz Weidner, welcher am Donnerstagabend zu einem Vortrag in die Stiftung Judenbach einlud. Der gebürtige Berliner gab umfassende Einblicke in sein berufliches Schaffen, welches maßgeblich von seiner Tätigkeit in den Bavaria-Filmstudios geprägt wurde. Die Berufsbezeichnungen Filmarchitekt, Szenenbildner und Szenograf sind quasi synonym: In der ehemaligen DDR bezeichnete man die Berufsgruppe als Szenografen, in der BRD hingegen als Filmarchitekten. Im Zuge der Wiedervereinigung wurden diese beiden Begrifflichkeiten verschmolzen und somit entstand eine einheitliche Bezeichnung in ganz Deutschland – Szenenbildner. „Alles, was im Bild beim Film zu sehen ist, mit Ausnahme der Schauspieler und der natürlichen Gegebenheiten, kommt vom Szenenbildner. Unsere kleinteilige Arbeit spielt sich komplett im Hintergrund ab, wir haben nur sehr selten etwas direkt mit den Schauspielern zu tun, sondern meistens nur mit Regisseur und Kameramann“, erklärt der 77-jährige den 20 Gästen im Judenbacher Stiftungs-Café.

Kosten kalkulieren


Götz Weidners Vater Bernhard war seinerzeit Filmjournalist und führte seinen Sohn bereits früh an das Business heran. Nach dem frühen Umzug von Berlin nach Frankfurt am Main begann der berufliche Werdegang von Götz Weidner als junger Erwachsener bei den namenhaften Bavaria-Filmstudios in München. Von 1962 bis 1966 absolvierte er bei der Bavaria eine Ausbildung als Szenenbildner (damals Filmarchitekt genannt) und ging 1970 in die Selbstständigkeit als freier Filmarchitekt über. In seinem Vortrag gab er umfängliche Einblicke in sein jahrzehntelanges alltägliches Geschäft, welches vor allem von den Arbeitsvorgängen des Planens, Kalkulierens und Organisierens am Set geprägt war. „Uns Szenenbildnern steht natürlich wie jedem Baustein einer solchen Filmproduktion nur ein bestimmtes Budget zur Verfügung, wir müssen ständig die Kosten kalkulieren und uns danach richten. Salopp gesagt muss man am Anfang bei der Planung wissen, was es am Ende kostet“, so der Münchner, der in der Anfangszeit seiner Karriere die bewegten Zeiten und die Entwicklung der ersten Fernsehjahre miterlebt hat.
Die Werkzeugkiste eines Szenenbildners ist sein Baufundus. Weidners große Filmprojekte in den Bavaria-Filmhallen benötigten nicht nur großen finanziellen, sondern vor allem zeitlichen Aufwand. 1998/99 nahm Götz Weidner mit der Ausstattung des TV-Dreiteilers „Die Manns – Ein Jahrhundertroman“ ein Mammutprojekt in Angriff. Mit seinem Team baute er die im Krieg zerstörte Villa von Thomas Mann detailgetreu auf dem Gelände der Bavaria-Studios nach. Am Ende stand eine Gesamtbauzeit von eineinhalb Jahren und Gesamtkosten von 2,5 Millionen DM zu Buche. Hierfür erhielt Götz Weidner im Jahre 2002 den Deutschen Fernsehpreis. Die teure Villa wird heute noch für Dreharbeiten der ARD-Seifenoper „Sturm der Liebe“ genutzt. Doch diese Filmausstattung ist bei Weitem nicht das einzige Aushängeschild des emsigen Szenenbildners. Sein Mitwirken bei den international erfolgreichen Filmen „Das Boot“ (1980/81), „Die unendliche Geschichte 1+2“ (1983/84 und 1988/89) und „Go Trabi Go“ (1990) machte die Blütezeit seines beruflichen Schaffens aus. „Das waren sensationelle Erfahrungen für mich. Da hatte ich schon während der Dreharbeiten das Gefühl, dass die Filme ein Kracher werden. Es ist immer wieder etwas Besonderes, den Prozess eines Filmprojekts vom ersten Entwurf bis zur Kinoleinwand zu begleiten. Für mich war es immer ein schöner, aber auch ein schwieriger Beruf“, blickt Götz Weidner zurück. Über die Jahre hat er besonders das Tricksen schätzen gelernt. Mit Materialien experimentieren und auf diese Art etwas erschaffen, was den Anschein erweckt, etwas ganz anderes zu sein als es in Wirklichkeit ist. Auskunftsfreudig beantwortete er am Donnerstagabend die Fragen der Gäste, welche sich spezifisch um seine bekanntesten Filme „Das Boot“ und „Die unendliche Geschichte“ drehten. Hierbei wies er nochmals darauf hin, dass all seine Projekte nicht durch ihn allein, sondern nur durch die Mithilfe seiner Mitarbeiter zu bewerkstelligen gewesen sind. Neben dem Deutschen Fernsehpreis erhielt Weidner ebenfalls den Deutschen Filmpreis, den Bayerischen Fernsehpreis und den Bayerischen Filmpreis für seine Ausstattungen von erfolgreichen Filmen. Über die vielen Jahre im Filmgeschäft sind natürlich auch Freundschaften am Set entstanden: So pflegt Götz Weidner beispielsweise eine Freundschaft mit dem deutschen Schauspieler Armin Mueller-Stahl.

Noch nicht im Ruhestand


Und wie antwortet der 77-jährige auf die Frage, ob er sich schon in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hat? In den letzten Jahren fuhr er die Anzahl seiner Engagements herunter, war aber noch bei vereinzelten Projekten aktiv. Im letzten Jahr holte ihn der Regisseur Joseph Vilsmaier nochmal ins Filmstudio zurück, er sollte für ihn den Film „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ mit Hape Kerkeling und Michael „Bully“ Herbig ausstatten. Im Februar dieses Jahrs verstarb Vilsmaier, so dass er die Kinopremiere des Films, die coronabedingt von Ostern in den Dezember verlegt wurde, leider nicht mehr miterleben kann. „Wenn das richtige Angebot kommt und ich noch den nötigen Elan dazu habe, würde ich mich auch nochmal auf ein neues Filmprojekt einlassen. Aber das steht in den Sternen, das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, ob das jetzt mein letzter Film gewesen ist“, schließt Götz Weidner seinen Vortrag ab. Zusammen mit seiner Frau Romy teilt er die Leidenschaft für das Sammeln von mechanischem Spielzeug, wodurch auch die besondere Beziehung der Weidners zu Judenbach erwachsen ist. Ihre Mechanische Spielzeugsammlung bildet seither eine der drei Säulen der Stiftung Judenbach.

v.l.: Götz Weidner, Stiftungsvorsitzender Albrecht Morgenroth und Romy Weidner
Filmarchitekt Götz Weidner

Zurück